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EuGH zur Rückforderung staatlicher Beihilfen

(Bild: © iStock/Terroa) Kabinett Conte brachte Haushaltsplans 2020 im Parlament durch - Für Koalitionskräfte beginnt jetzt Phase zwei. (Bild: © iStock/Terroa)

EuGH erklärt die Entscheidung der Kommission, von der Anordnung der Rückforderung rechtswidriger Beihilfen abzusehen, die von Italien mittels Befreiung von der kommunalen Immobiliensteuer gewährt wurden, für nichtig. 

Unmittelbar betroffene Wettbewerber von Empfängern staatlicher Beihilfen sind berechtigt, die Unionsgerichte anzurufen, um die Nichtigerklärung einer solchen Entscheidung zu beantragen.

Entscheidungen: EuGH 6. 11. 2018, C-622/16 und C-623/16, Scuola Elementare Maria Montessori Srl; C-624/16, Ferracci.

1. Sachverhalt

Mit Beschluss vom 19. 12. 2012 (Beschluss 2013/284/EU) stellte die Kommission fest, dass die Befreiung von der kommunalen Immobiliensteuer (Importa comunale sugli immobili, im Folgenden: ICI), die Italien nichtgewerblichen (etwa kirchlichen oder religiösen) Einrichtungen gewährt hatte, die in den ihnen gehörenden Immobilien bestimmte Tätigkeiten (zB Lehrtätigkeiten oder Beherbergung) ausübten, eine rechtswidrige staatliche Beihilfe darstelle. Gleichwohl ordnete die Kommission nicht deren Rückforderung an, da sie diese für absolut unmöglich hielt. Außerdem vertrat sie die Auffassung, dass die in der neuen italienischen Regelung der einheitlichen Kommunalsteuer (Importa municipale unica, im Folgenden: IMU) vorgesehene Steuerbefreiung, die in Italien seit dem 1. 1. 2012 gilt, keine staatliche Beihilfe darstelle.

Die private Lehranstalt Scuola Elementare Maria Montessori (im Folgenden: Montessori) und Herr Pietro Ferracci, Eigentümer einer Frühstückspension, beantragten beim EuG, diesen Beschluss der Kommission für nichtig zu erklären. Sie machten insbesondere geltend, dieser Beschluss habe sie in eine nachteilige Wettbewerbssituation gegenüber in unmittelbarer Nähe ansässigen kirchlichen oder religiösen Einrichtungen versetzt, die den ihrigen ähnliche Tätigkeiten ausübten und von den fraglichen Steuerbefreiungen profitieren könnten.

Die Kommission wandte ein, dass weder Montessori noch Herr Ferracci die in Art 263 AEUV vorgesehenen Voraussetzungen für die Anrufung der Unionsgerichte erfüllten.

Mit Urteilen vom 15. 9. 2016 (T-219/13 und T-220/13) erklärte das Gericht die Klagen für zulässig, wies sie aber als unbegründet ab.

Gegen diese Urteile legten Montessori und die Kommission Rechtsmittel ein.

2. Würdigung durch den EuGH

In seinem Urteil prüft der Gerichtshof erstmals die Frage der Zulässigkeit – auf der Grundlage von Art 263 Abs 4 dritte Variante AEUV – von Klagen, die Wettbewerber von Begünstigten einer Beihilferegelung unmittelbar gegen einen Beschluss der Kommission erheben, mit dem festgestellt wird, dass die fragliche nationale Regelung keine staatliche Beihilfe darstelle bzw dass die aufgrund einer rechtswidrigen Regelung gewährten Beihilfen nicht zurückgefordert werden könnten.

Der EuGH stellt fest, dass ein solcher Beschluss ein „Rechtsakt mit Verordnungscharakter“ ist, dh ein Rechtsakt ohne Gesetzescharakter mit allgemeiner Geltung, der im vorliegenden Fall Montessori und Herrn Ferracci unmittelbar betrifft und ihnen gegenüber keine Durchführungsmaßnahmen nach sich zieht. Daraus folgert der EuGH, dass die Klagen von Montessori und Herrn Ferracci gegen den Beschluss der Kommission zulässig sind.

In der Sache weist der Gerichtshof darauf hin, dass der Erlass einer Anordnung, rechtswidrige Beihilfen zurückzufordern, die logische und normale Folge der Feststellung ihrer Rechtswidrigkeit ist. Die Kommission kann zwar nicht die Rückforderung einer Beihilfe verlangen, wenn sie damit gegen einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts wie den, dass niemand zu etwas Unmöglichem verpflichtet ist, verstieße. Der Gerichtshof betont jedoch, dass eine Rückforderung rechtswidriger Beihilfen nur dann als objektiv und absolut unmöglich zu verwirklichen angesehen werden kann, wenn die Kommission nach einer eingehenden Prüfung feststellt, dass zwei Voraussetzungen erfüllt sind:

  • Die vom betroffenen Mitgliedstaat geltend gemachten Schwierigkeiten liegen tatsächlich vor und
  • andere Wege der Rückforderung fehlen.

Im vorliegenden Fall durfte die Kommission daher nicht mit dem bloßen Verweis auf die Unmöglichkeit, aus den italienischen Kataster- und Steuerdatenbanken die für die Rückforderung der rechtswidrigen Beihilfen erforderlichen Informationen zu gewinnen, zu dem Ergebnis gelangen, dass die Rückforderung dieser Beihilfen absolut unmöglich sei, sondern hätte darüber hinaus prüfen müssen, ob es andere Wege gab, die eine wenigstens teilweise Rückforderung der Beihilfen ermöglicht hätten. Mangels einer solchen Prüfung hat die Kommission nicht die absolute Unmöglichkeit der Rückforderung der Beihilfen dargetan. Aus diesem Grund hebt der EuGH das Urteil des EuG auf, soweit darin die Entscheidung der Kommission, die Rückforderung der mittels Befreiung von der ICI gewährten rechtswidrigen Beihilfen nicht anzuordnen, bestätigt wurde, und erklärt infolgedessen diese Entscheidung der Kommission für nichtig.

Darüber hinaus ist der EuGH der Auffassung, dass dem EuG kein Rechtsfehler unterlaufen ist, als es entschied, dass die Befreiung von der IMU, die sich nicht auf entgeltlich erbrachte Lehrtätigkeiten erstrecke, nicht für wirtschaftliche Tätigkeiten gelte und somit nicht als staatliche Beihilfe angesehen werden könne. Insoweit erinnert der Gerichtshof an seine Rechtsprechung (EuGH 27. 6. 2017, C-74/16, Congregación de Escuelas Pías Provincia Betana), wonach Befreiungen von Immobiliensteuern verbotene staatliche Beihilfen darstellen können, wenn und soweit es sich bei den Tätigkeiten, die in den fraglichen Räumlichkeiten ausgeübt werden, um wirtschaftliche Tätigkeiten handelt.

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